Im Workshop Ich und die anderen. Über Realität und Erfindung in der Personenbeschreibung beschäftigten wir uns diesmal mit der Frage Wie werde ich einem von mir beschriebenen Menschen gerecht?
Vorweg wurden von mir ein paar Überlegungen angestellt, was denn eine Personenbeschreibung eigentlich bestimmt:
- Das Äußere > Wie genau ist meine Wahrnehmung, meine Formulierung? Welche Bedeutung hat der Zeitpunkt der Betrachtung? (das Alter z.B.) Nach welchen Kriterien beschreibe ich etwas und etwas anderes nicht? Wie objektiv kann ich sein?
- Das Biografische > Wie viel weiß ich über diesen Menschen? Gibt es Dinge, die ich nicht weiß? Urteile ich (bewusst, unbewusst, versteckt) über die Person? Nach welchen Kriterien?
- Die Schreibperspektive > Wie klar ist sie mir selbst? Lasse ich sie erkennen, wird sie thematisiert? In welcher Form lässt sie sich kenntlich machen/thematisieren?
- Das Ziel und die emotionale Haltung > Will ich meine Hochachtung, meine Liebe, meine Ambivalenz, meine Distanz ausdrücken? Will ich kritisieren/vernichten? Will ich die Person benutzen? (z.B. als komische Figur einer Geschichte, als Randfigur meiner Geschichte) etc.
Zur Schreib-Perspektive:
- Da ich letztlich bei jeder Beschreibung „aus meinen eigenen Augen schaue“, sollte ich mir diese Ich-Perspektive bewusst machen.
- Das heißt, selbst bei möglichst objektiven Beschreibungen sollte ich mich als Berichterstatter nicht „verstecken“, also z.B. meine Quellen zu erkennen geben („Tante Frieda“) oder konkrete Nachweise nennen. Es sei denn, die Perspektive ist von vornherein klar. (Vater, Tochter etc.)
- Je bewusster mir meine Perspektive/meine Motivation ist, desto eher kann ich diese mitformulieren. Damit zeige ich, dass die von mir beschriebenene Person nicht identisch ist mit der realen Person. Somit auch, dass die reale Person von andern auch anders (aus deren Perspektive nämlich) wahrgenommen werden kann.
- Allerdings: Je „lebendiger” eine Darstellung ist, desto leichter vergisst man, dass auch diese Darstellung ein Konstrukt ist. (Mit solchen Widersprüchen muss man als Schreibende*r allerdings leben!!!)
Da es im Kurs aber nicht um Theorie, sondern um Erfahrungen geht, wurden diese Gedanken dann ohne langes Weiterreden in die Hinterköpfe verbannt, um mit konkreten Übungen loszulegen:
1. Übung: Schreibe über eine Person aus deiner Familie oder deinem Umfeld, die dich aus irgendwelchen Gründen beschäftigt (ärgert, beeindruckt o.ä.). Schreibe subjektiv, aber so, dass Außenstehende einen möglichst genauen Eindruck von der Person bekommen.
> Diskussion: Wodurch entstand der genaue Eindruck? Was fehlte oder hätte noch formuliert werden können?
2. Übung: Trete in einen Dialog mit der Figur, sprich sie an, lass sie antworten. Dies kann eine erinnerte Situation sein, eine real vorstellbare, eine vollkommen fiktive oder auch eine Situation, in der die Person mit dir über ihre Darstellung spricht.
3. Übung: Beschreibe die „körperliche Seite“ des Dialogs (physiologische Reaktionen, Aussehen, Bewegungen, Mimik …)
Nach jeder Aufgabe gab es wie immer sehr verschiedene und interessante Texte zu hören, die auch wieder ausgiebig diskutiert und genau gelobt wurden.
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