Die Tonne

Rede zu einem ungewöhnlichen Hochzeitsgeschenk, einer Mülltonne nämlich, allerdings edel und auf Wunsch:

>> Was, ein Abfalleimer zur Hochzeit? Tja, liebes Brautpaar …

Klar, wenn zwei zusammenleben, fällt eine Menge Müll an. Was bei mangelhafter Entsorgung zu Schimmelbildung, Fäulnis und anderen Fehlentwicklungen führen kann, die der Lebensluft und –lust und auch dem gesunden Eheleben schaden.

Diese Tonne ist für die sachgemäße Aufnahme aller Arten von Müll bestens geeignet: stabil, auch in Krisensituationen funktionstüchtig, formschön … kurz: ein erprobtes, verläß­liches Produkt, das mit den Jahren – gerade durch die Beanspruchung! – nur immer schöner werden wird. Kurz, ein absolut unverzichtbares Instrument für eine funktio­nie­rende Beziehung.

Nun aber: Was tut man rein? Grob gesagt, alles Überflüssige. Davon wird es in der Welt immer mehr, bei Euch aber mit der Zeit immer weniger geben, denn Ihr werdet immer besser wissen, was Ihr für Euch und vom andern gar nicht erst braucht … Dennoch – es wird noch genug Überflüssiges bleiben (sonst wäre das Leben auch zu trocken).

Apropos. Flüssigkeiten sollte man hier nicht hineinvergeuden. Denn das Flüssige an sich, im Gegensatz zum Überflüssigen, ist meistens dem Leben sehr zuträg­lich (okay, nicht alle Flüssigkeiten gleichermaßen) … Also, liebes Brautpaar:  Starres, Vertrocknendes, DAS kommt in die Tonne hier. Das andere: Lasst es fließen! Lebenselixiere lassen sich nicht kauen, und auch Hoffnung kann man nur schöpfen und nicht greifen. Die schönen Flüssigkeiten also: verschwendet sie! Dann werdet ihr sie nicht vergeuden.

Was also wird in diesem Eimer landen? Verschiedene Reste zum Beispiel, Zeugen des Verfalls und der Vergänglichkeit wie … ausgelutschte Schalen frischer reifer Passionsfrüchte, verblühte Blumensträuße von der letzten wunderbaren Premiere, zerfledderte Tickets von einer interessanten Reise nach … Argentinien, Israel, China? Ja, Wegwerfen kann schön sein.

Was noch? Völlig unnötige Dinge wie: Strafzettel, Gipsbeine, Sauertöpfe …

Oder Dinge, die ganz plötzlich abfallen, äh als Abfall anfallen: Steine, die von Herzen geplumpst und Knoten, die sich aufgelöst haben. Auch Klötze, die nicht mehr in Mägen liegen, sind in diesem großen Eimer am rechten Platz. (Im Klo gäb’s Verstopfung.)

Was noch? Sachen, die nicht mehr zu reparieren sind: verratene Freund­schaften, nicht einlösbare Versprechen, zerbrochene Geheimnisse … Wie sagt man? Ab mit Schaden.

Auch gibt es Dinge, die kann man getrost weg tun, weil sie falsch sind: manche Rücksichten und Freundlichkeiten, diese oder jene Scham …

Andere Dinge sind schwieriger zu entsorgen. Du denkst, du hast sie  in die Tonne, also das Innere, weggedrückt, und eh Du Dich versiehst, haben sie sich schon bergeweise zwischen Euch aufgehäuft. Also besser: immer raus damit, ausgespuckt, ausgekotzt, und angehört. Betrachtet, sortiert, beweint, belacht. Die sauberen Reste könnt Ihr dann bei Euch in einer nicht nachtragenden Lade verwahren.

Eindeutig Abfall sind abgeschnittene Fußnägel und ähnliches. Solltet Ihr eines Tages anfangen, so etwas aufzubewahren, etwa in Gläsern zu sammeln, ist das ein Signal, dass Ihr therapeutischen Beistand braucht. Sucht dann zu­nächst eine Eheberatung auf. Ich will auf keine Scheidungs­­party eingeladen werden.

Ach, da fällt mir ein, ich habe gar nicht an die Müllsortierung gedacht! Ihr müsst Euch wahrscheinlich ent­scheiden, ob diese Tonne recycelbares Material oder aber den „Restmüll“ aufnehmen soll … Wertvoll, wertlos, gut, böse: Wie soll man das manchmal bitteschön unterscheiden oder gar … trennen?!? Aber so bleibt man beschäftigt! Obwohl, lästige Pflichten solltet Ihr eigent­lich auch in die Tonne kloppen können und nur die Mußestunden übrig behalten.

Ach, ich hoffe trotzdem, dass Ihr Euch über die Tonne freut. Denn es ist ja eine Wundertonne! Sie soll Euch „ent-sorgen“: mit ihrer Hilfe könnt Ihr immer das Richtige zur richtigen Zeit loswerden – und braucht Euch nie mehr Sorgen machen! <<

Und so verpackt wurde die Rede anschließend überreicht …


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