… beim GYF-Wettbewerb. Ihr schönster Ort im Ruhrgebiet ist das Schauspielhaus Bochum.
Dieser Ort hat mein Leben verändert
Ein großer, roter Backsteinbau, hohe Fenster, die von außen den Blick auf blinkende Lüster freigeben. Ehrfürchtig stehe ich davor und lege meinen Kopf in den Nacken, um bis zum Dach zu sehen.
Es ist Donnerstag, 4. November 1966, 19.45 Uhr. Der große Traum meines 12-jährigen Lebens wird wahr: Karten für ein Geigenkonzert! Felix Mendelssohn-Batholdy, Violinkonzert e-moll op.64 steht auf dem Programm. Immer wieder hatte ich zu Hause die Platte angehört, hatte auf meiner Geige versucht, die Töne nach zu spielen. Aber das Konzert mit einem richtigen Orchester und einer Geigerin zu hören: Ich bin so aufgeregt.
Ich betrete in Begleitung meiner Eltern das Foyer des Schauspielhauses. Weißer Steinboden geht in hellen Teppichboden über. Er dämpft den Schritt. An den Seiten ist der Garderobenbereich,wo Frauen den Mantel gegen ein Metallplättchen mit einer Nummer austauschen. Leise Sprechgeräusche, ab und an ein verhaltenes Lachen. Ich sauge die Atmosphäre auf: Ein Konzert findet statt.
Geöffnete Doppeltüren bieten den Menschen Einlass in den Zuschauerraum. Auf der schwarz ausgehängten Bühne stehen Stühle und Notenpulte bereit. Alle Stühle sind im Halbrund um das Pult des Dirigenten gruppiert. Die samtbezogenen Stuhlreihen im Zuschauerraum sind zum Teil besetzt. Menschen stehen auf und setzen sich, je nach Bedarf. Große Lampen, die von der Decke hängen, schaffen ein mattes Licht.
Wir nehmen in der siebten Reihe Platz. Es ertönt ein Klingeln. Ich höre, wie sich die Menschen durch die Eingangstüren zu ihren Plätzen bewegen. Eine unsichtbare Hand dimmt das Licht im Zuschauerraum, das Raunen wird leiser. Musiker betreten mit ihren Instrumenten die Bühne.
Auch meinen Geigenlehrer kann ich erkennen. Ich winke ihm vorsichtig zu. Er hat mich gesehen und grüßt mit seinem Geigenbogen. Ich bin so stolz.
Alle Musiker wissen genau, wo sie hinmüssen. Sie nehmen in Instrumentengruppen auf ihren Stühlen Platz, prüfen den Klang ihres Instrumentes. Dann herrscht erwartungsvolle Stille. Auch ich wage kaum zu atmen. Was wird jetzt passieren?
Der Dirigent betritt die Bühne, strebt seinem Pult zu. Applaus! Er verbeugt sich. Nach einigen Momenten wieder eine Bewegung an der seitlichen Bühne: Die Geigerin, die das Konzert spielen wird, betritt die Bühne. Sie trägt ein silberfarbenes Kleid, das sie mit einer Hand vorsichtig anhebt, sicher um nicht zu stolpern. Ihre kostbare Geige und den Bogen trägt sie in der anderen Hand. Sie bleibt neben dem Dirigenten stehen. Stille tritt ein. Nur ein vereinzeltes Hüsteln unterbricht die Spannung.
Der Dirigent hebt seinen Taktstock , umfasst mit einem Blick das Orchester und gibt ein Zeichen! Die Musik beginnt. Es tönt und klingt, trällert und zirpt. Das Orchester und die Geigerin schicken ihre ganze Klangvielfalt zu den Zuhörern hin, sie wechseln sich ab und begleiten einander. Mal höre ich den Streichern zu, dann faszinieren mich wieder die Bläser. Ich tauche immer weiter in diese Wunderwelt ein, die sich vor meinen Ohren auftut. Muss das schön sein, in diesem Klangwunder selber mitzuspielen.
Heute stehe ich wieder vor diesem Bau. Seitdem habe ich viele Konzerte, aber auch Theaterstücke dort gehört und gesehen. Ich habe mich gefreut, geärgert, war begeistert und habe gelacht, fühlte mich angerührt. Die Faszination, die mich damals gefangen hielt , kann ich bis heute nachfühlen.
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Maria Könn-Schmidt hat außerdem ein Kinderbuch veröffentlicht:
„Anne Zwiebelzahns Abenteuer. Der Ausflug nach Sensibar“
Mit Illustrationen von Nicole Sporrer.
Verlag BoD, Norderstedt 2012 (ISBN 9783848212187)
Mehr darüber in Kürze!
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